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mercoledì 19 giugno 2024

Andrea Grillo: „Für Traditionalisten ist ‚katholisch‘ nur ein idealisiertes Etikett“. L'intervista di MiL a Grillo, tradotta in tedesco sul Katholisches

Prof. Andrea Grillo, radikaler Ausdruck der Liturgiereform
und eine Speerspitze in dem von ihm selbst erklärten
 Krieg gegen den überlieferten Ritus

 Katholisches - Magazin für Kirche und Kultur, 19/6/2024 

Der Frontalangriff des erklärten Gegners des überlieferten Ritus

Am Rande einer Tagung über den Priester Don Primo Mazzolari, die am vergangenen Wochenende im norditalienischen Bozzolo stattfand, wurde ein Interview der traditionsverbundenen Internetseite MiL Messa in latino mit dem Liturgiker Andrea Grillo, einem erklärten Feind des überlieferten Ritus, möglich. Man sei zwar in liturgischen Fragen in „fast allem“ anderer Meinung als Grillo, habe aber dessen „brutale Offenheit“ immer zu schätzen gewußt: „Er spricht zumindest Klartext“, so Messa in latino. Das Interview fällt in einen Moment erhöhter Unruhe, da Gerüchte von einer weiteren, nunmehr „definitiven“ Daumenschraube gegen den überlieferten Ritus in Umlauf sind. Dazu sagt Grillo nichts. 
Das Interview liefert einen interessanten und sehr direkten Einblick in die Denkwelt eines der massivsten Gegner der Tradition. Grillo, Professor der Sakramententheologie und der Religionsphilosophie am Päpstlichen Athenaeum Sant’Anselmo in Rom und der Liturgie am Liturgischen Institut der Abtei Santa Giustina in Padua, befindet sich seit Jahren regelrecht im Krieg gegen den überlieferten Ritus und die diesem anhangenden Gemeinschaften und Gläubigen in der Kirche. Vor allem das Motu proprio Summorum Pontificum von Benedikt XVI. von 2007 brachte Grillo auf die Palme. Dessen Bekämpfung mit dem Ziel seiner Abschaffung schrieb er sich von da an auf seine Fahne. Er verfügt im derzeitigen Pontifikat über Zugang zu Santa Marta und gilt als „Hausliturgiker“ von Papst Franziskus. Grillo hatte bereits 2019 gefordert, was mit dem Motu proprio Traditionis custodes zwei Jahre später Wirklichkeit wurde, den Zugang zum überlieferten Ritus „einzuschränken“. 

Hier der vollständige Wortlaut des Interviews:


1. Messa in latino: Warum, so scheint es uns zumindest, will man den romtreuen Traditionalisten (wie so vielen anderen Laienbewegungen) um keinen Preis Freiraum in der katholischen Kirche geben, und daß sie nur umzuerziehende Gläubige sind?

Andrea Grillo: Die erste Frage enthält zahlreiche Ungenauigkeiten, die den eigentlichen Sinn der Frage untergraben. Ich werde versuchen, sie der Reihe nach zu erläutern. Diejenigen, die Sie als „romtreue Traditionalisten“ bezeichnen, sind in Wirklichkeit Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht in einer Loyalitätsbeziehung, sondern im Gegensatz zu Rom stehen. Das Element des Gegensatzes betrifft nicht einfach eine „rituelle Form“, sondern eine Art, die Beziehungen innerhalb und außerhalb der Kirche zu verstehen. Alles beginnt mit dem Mißverständnis, das (in gutem Glauben, aber mit einem völlig falschen Urteil) durch das Motu proprio Summorum Pontificum hervorgerufen wurde, das einen „rituellen Parallelismus“ (zwischen Novus Ordo und Vetus Ordo) eingeführt hat, der weder systematisch noch praktisch begründet ist: Er ist theologisch nicht fundiert und führt zu größeren Spaltungen als zuvor schon vorhanden. Die Idee der „Treue zu Rom“ muß hinterfragt werden: Um Rom treu zu sein, muß man sich eine „rituelle Sprache“ aneignen, die dem entspricht, was Rom gemeinschaftlich festgelegt hat. Man ist nicht treu, wenn man einen Fuß in zwei Schuhen hat. Diesen Widerspruch aufgezeigt zu haben, ist das Verdienst von Traditionis custodis, das die eine, geltende Lex orandi für die ganze katholische Kirche wiederherstellt. Wenn mir jemand sagt, er sei gleichzeitig dem Novus Ordo und dem Vetus Ordo treu, antworte ich, daß er nicht verstanden hat, was Tradition bedeutet, in der es einen legitimen und überwindbaren Fortschritt gibt, der unumkehrbar ist.


2. Messa in latino: Sind Sie der Ansicht, daß die Kirche nach der Wallfahrt von Paris–Chartres 2024 (18.000 Menschen, Durchschnittsalter 25 Jahre, Diözesanbischöfe, ein Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, umfangreiche Medienberichterstattung) nun auch über die Seelsorge für das „traditionelle“ Charisma nachdenken sollte (wie andere Bewegungen, die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstanden sind) oder kann sie weiterhin die massive Vitalität der alten Liturgie leugnen?

Andrea Grillo: Was sind 18.000 Menschen im Vergleich zur großen Masse der katholischen Kirche? Wenig mehr als eine Sekte, die die Untreue als Erlösung empfindet, oft verbunden mit moralischen, politischen und gewohnheitsrechtlichen Positionen, die völlig bedenklich sind. Die Dinge werden nicht dadurch besser, daß man die Worte ändert. Tradition und Traditionalismus dürfen nicht gleichgesetzt werden. Der Traditionalismus ist nicht „eine von vielen Bewegungen“ (auch wenn er zum Teil ähnliche Merkmale wie einige der fundamentalistischeren Bewegungen aufweist, die in den vergangenen 40 Jahren unangemessen begünstigt wurden), sondern eine Form der „Verleugnung des Zweiten Vatikanischen Konzils“, die innerhalb der kirchlichen Erfahrung nur stark behindert werden kann. Die Kirche ist kein „Club von Notaren oder Juristen“, die ihre ästhetischen Leidenschaften kultivieren oder die Instrumentalisierung der Kirche als „das berühmteste Museum“ planen.


3. Messa in latino: Wie kommt es, daß Ihrer Meinung nach vor allem im anglophonen und frankophonen Raum die Zahl der Gläubigen, der Seminaristen, der Konversionen, der finanziellen Unterstützung und der kinderreichen Familien im traditionalistischen Bereich erheblich zunimmt angesichts einer offensichtlichen und schweren qualitativen und quantitativen Krise der Novus-Ordo-Gemeinden, zumindest in der westlichen Welt?

Andrea Grillo: Wir haben es mit einer Verzerrung der Sichtweise zu tun. Der Glaube befindet sich, insbesondere in der westlichen Welt, in einer Krise, die vor mehr als einem Jahrhundert begann und sich in den vergangenen 50 Jahren dramatisch beschleunigt hat. Aber die Krise wird nicht durch die Wiederherstellung der Lebensweise der „Gesellschaft der Ehre“ bewältigt. Es sind nicht die „Cape Magne“ oder die „toten Sprachen“, die dem Glauben Kraft verleihen. Sie verstärken nur Identitätsbindungen, Formen des Fundamentalismus und der Unnachgiebigkeit, die nicht mehr die von vor 100 Jahren sind, sondern nie dagewesene Erscheinungen annehmen, in denen man sich mit dem Maximum des postmodernen Lebens eine „katholischen“ Identität zu eigen macht, die an „Katholischem“ nur das idealisierte Etikett an sich hat. Es handelt sich dabei nicht um ein kirchliches oder geistliches Phänomen, sondern um ein Phänomen der Sitten und Lebensformen, das mit der authentischen Tradition der katholischen Kirche wenig zu tun hat.


4. Messa in latino: Warum sieht der Heilige Vater Franziskus in dieser Situation des Mangels an Seminaristen und jungen Gläubigen Ihrer Meinung nach – zumindest scheinbar – nur die traditionalistischen Gläubigen (die „cum Papa nostro Francisco“ beten und immer mehr werden) als Feinde an?

Andrea Grillo: Zunächst einmal ist der „Mangel an Seminaristen“ und die „Flucht der Jungen“ nicht nur eine negative Tatsache: Sie ist das Zeichen einer Prüfung, die für die gesamte Kirche notwendig ist. Die „einfachen“ Lösungen (füllen wir die traditionalistischen Priesterseminare mit militarisierten jungen Männern nach dem Vorbild der Presbyter des 17. oder 18. Jahrhunderts) sind nur Blendwerk, deren Spesen in erster Linie die Betroffenen tragen müssen. Sie führen nicht zu einem Leben im Glauben, sondern oft zu großen Ressentiments und persönlicher Verhärtung. Ich würde mich nicht sorgen, daß Papst Franziskus dies als Gefahr empfindet. Mich hat vielmehr besorgt, daß seine Vorgänger dies als Vorteil betrachtet haben. Nostalgie ist nie ein Vorteil, auch dann nicht, wenn sie einem vorgaukelt, daß die Kirche nichts zu reformieren hat, sondern alle Antworten nur in der Vergangenheit findet. Wenn man ‚una cum papa‘ betet, kann man das nicht nur als Geschwätz tun, sondern muß mit der Kirche und dem Papst vor allem den einen geltenden Ordo teilen. Sonst schwatzt man nur, lebt aber im Gegensatz zur Tradition.


5. Messa in latino: Ist es möglich, daß eine rituelle Form, die für sehr lange Zeit die „normative“ der katholischen Kirche war, nun keinen Platz mehr hat, neben so vielen anderen Riten der katholischen Kirche, u. a. dem mozarabischen, ambrosianischen, chaldäischen, des hl. Johannes Chrysostomus, armenischen usw.? Warum soll das traditionelle Charisma nicht in der großen Vielfalt der kirchlichen Charismen koexistieren? „Wir dürfen keine Angst vor der Vielfalt der Charismen in der Kirche haben. Im Gegenteil sollten wir uns freuen, diese Vielfalt zu leben“, sagte Franziskus 2024.

Andrea Grillo: Auch hier zeigt sich ein ziemlich schweres Mißverständnis in der Frage. Andererseits erkenne ich, daß in Ihrer Frage eine der stärksten (und am wenigsten zu rechtfertigenden) Motivationen mitschwingt, die die Zeit (von Summorum Pontificum) geprägt haben, der Sie so verbunden sind, daß Sie sie fast zu Ihrem Banner gemacht haben. Im Zentrum dieses Dokuments stand nämlich ein Argument, das lautete: „Was für die vergangenen Generationen heilig war, kann nicht anders als auch für die heutigen Generationen heilig sein“. Woher stammt dieser Grundsatz? Nicht aus der Theologie, sondern aus nostalgischen Gefühlen gegenüber der Vergangenheit. Ein solcher Grundsatz neigt dazu, die Kirche auf ihre Vergangenheit zu fixieren. Nicht auf das ‚depositum fidei‘, sondern auf den Anstrich, den dieses in einer bestimmten Zeit angenommen hat, als ob dieser endgültig wäre. Daß es im Laufe der Geschichte rituelle Formen gegeben hat, die in ihrer „Andersartigkeit“ anerkannt wurden, hängt von der „spezifischen“ Tradition der Orte oder der Orden ab. Niemand hätte aber jemals denken können, daß es auf universeller Ebene jemandem freigestellt sei, in einer Version des römischen Ritus oder in der durch eine allgemeine Reform überwundenen Version zu bleiben. Und man kann die großen paulinischen Ideen nicht so schamlos „von rechts“ verwenden: Die Freiheit der Charismen kann nicht als Nährboden für eine „Anarchie von oben“ verstanden werden, wie es die Umsetzung des Motu proprio Summorum Pontificum in unverantwortlicher Weise tat. Viel besser wäre es gewesen, „an einem Tisch“ zu arbeiten, sodaß alle zur Bereicherung „der einzigen existierenden rituellen Form“ beitragen könnten. Auf eine gegenseitige Verbesserung zwischen Novus Ordo und Vetus Ordo zu setzen, war eine völlig unzureichende Strategie und Theologie, die durch ideologische Abstraktheit genährt wurde.


6. Messa in latino: Sie haben heftige Kritik an der überlieferten Liturgie geäußert. Sind Sie der Meinung, daß auch die Gläubigen, die sie bevorzugen, das Recht haben, ähnliche Kritik an der Liturgiereform zu üben, oder meinen Sie, daß die kritische Analyse der Liturgie nur im Sinne der theologischen Strömung stattfinden kann, deren maßgeblicher Vertreter Sie sind?

Andrea Grillo: Ich denke nicht in „Fraktionen“ oder „Parteien“. Ich versuche nur, die Tradition zu lesen und zu entdecken, was wir tun können und was uns nicht erlaubt ist. Jeder kann sich kritisch mit jeder Stelle der Tradition auseinandersetzen. Mich interessiert, daß diese Auseinandersetzung mit Argumenten erfolgt. Die Argumente der Traditionalisten sind schwach, weil sie der Tradition das absprechen, was sie am besten qualifiziert: nämlich ihren Dienst an der Veränderung. Jene, die die Liturgiereform in Frage stellen, haben jedes Recht, sich zu äußern, aber sie können nicht erwarten, daß ihre Argumente sich selbst bestätigen. So kann man z. B. aus der Kritik an der „Reform der Karwoche“ nicht das Recht ableiten, auf die Riten vor „jeder Reform“ des Triduums zurückzugreifen, d. h. die Riten vor den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Wer so handelt, trägt nicht zur kirchlichen Debatte bei, sondern stellt sich objektiv außerhalb der katholischen Tradition, und so sehr auch die „Treue zum Papst“ betont wird, wird diese faktisch verleugnet. Es ist nicht so leicht zu vermeiden, „sedisvakantistisch“ zu werden, und zwar in der Tat noch vor der Erklärung.


7. Messa in latino: Eine letzte Frage. Wir glauben, daß die Liturgiereform insgesamt gescheitert ist, wie man an den leeren Priesterseminaren und Kirchen, zusammengelegten Pfarreien und Diözesen usw. sehen kann, und daß sie zur Krise der Kirche beigetragen hat. Wir denken auch, daß man, um sie zu verteidigen, versucht, das als erwartete Ergebnisse darzustellen, was uns als negative Folgen erscheint. Wie würden Sie versuchen, unsere Meinung zu ändern?

Andrea Grillo: Es gibt Fälle in der theologischen und liturgischen Debatte, in denen die Verwendung von Argumenten zum Scheitern verurteilt ist. Ich gebe nie auf – ich wäre kein Theologe, wenn ich kein Vertrauen in Argumente hätte –, aber ich verstehe die Schwierigkeit. Ich verwende in diesen Fällen Argumente, die oft schwer zu verstehen sind. Selbst der bekannte Journalist Messori ist oft in denselben Fehler verfallen wie Sie. Sie sagen: „Die Liturgiereform ist gescheitert“, und Sie argumentieren in Zahlen. Sie denken so: Wenn etwas in der Geschichte vor etwas anderem ist, dann ist das, was vorher ist, die Ursache für das, was nachher kommt. So fällt es nicht schwer zu glauben, daß die Verantwortung für die Mißstände der 70er, 80er und 90er Jahre bis 2024 beim Zweiten Vatikanischen Konzil und insbesondere bei der Liturgiereform liegt. Diese Argumentation ist jedoch historisch nicht fundiert. Die Kirchenkrise geht dem Aufkommen der Liturgiebewegung weitgehend voraus: Guéranger und Rosmini sprechen bereits 1830–40 von einer „liturgischen Krise“. Festugière sagt zu Beginn des 20. Jahrhunderts: „Niemand weiß mehr, was Zelebrieren ist“… aber Sie ignorieren nicht nur all das, sondern neigen dazu, die Dinge zu vereinfachen und zu denken, daß, „wenn die Reform nicht stattgefunden hätte“, wir noch in der Kirche der 50er Jahre wären. Hier liegt ein Denkfehler vor, der aus einer zu oberflächlichen Analyse der Beziehung zwischen kirchlicher und ritueller Form resultiert. Um Ihre Meinung zu ändern, sollten wir zunächst über die Beziehung zwischen Liturgie und kirchlicher Erfahrung nachdenken. Die Nachfolge Christi bedeutet nicht, einem High-Society-Club oder einem Verein beizutreten, um eine fremde Sprache zu sprechen oder sich mit der Vergangenheit zu identifizieren, indem man reaktionäre Ideale pflegt. Die Tradition ist nicht Vergangenheit, sondern Zukunft. Da die Kirche und der Glaube eine ernste Angelegenheit sind, können sie nicht auf den Zusammenschluß jener reduziert werden, die eine Nostalgie für die Vergangenheit pflegen.

Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi

Bild: MiL